Rechtsanwalt mit Haftbefehl gesucht

Sechs Jahre haben Staatsanwälte ermittelt, Rechnungshöfe geprüft und Untersuchungsausschüsse getagt – heute endlich sollte der Korruptionsprozess um den nordrhein-westfälischen Landesbaubetrieb BLB beginnen. Doch es kam alles anders: Ein mitangeklagter Rechtsanwalt erschien nicht vor dem Düsseldorfer Landgericht. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen – und der Prozess erst einmal vertagt. Die Angeklagten sollen das Land mit Scheingeschäften und überteuerten Grundstückskäufen um mehr als 16 Millionen Euro betrogen haben. 

Die Vorwürfe richten sich gegen den ehemalige Chef des Bau- und Liegenschaftsbetriebes (BLB), Ferdinand Tiggemann, den ehemalige Leiter der Aachener BLB-Niederlassung sowie einen Rechtsanwalt aus Bad Neuenahr. Als der Anwalt vor Gericht nicht erschien, mussten auch die Verteidiger des 68-jährigen Rechtsanwaltes einräumen, dass sie in letzter Zeit keinen bis “übersichtlichen” Kontakt zu ihrem Mandanten gehabt hätten. Deshalb wird er nun per Haftbefehl gesucht und soll zum nächsten Prozesstermin am 26. April vorgeführt werden.

Verhandelt wird im neuen Justizzentrum – das selbst Teil des Bauskandals ist

In dem Prozess geht es um eine Reihe von Unregelmäßigkeiten an Bauprojekten in Nordrhein-Westfalen, es geht um stark gestiegene Baukosten, nachlässige Prüfungen und Bestechlichkeit. Der Landesrechnungshof stellte Schäden in zweistelliger Millionenhöhe fest. Der bekannteste Fall ist der Neubau des Landesarchivs in Duisburg, zu dem die Ermittlungen aber immer noch nicht abgeschlossen sind.

Im Fokus des Düsseldorfer Prozesses stehen nur fünf Bauprojekte aus den Jahren 2004 bis 2010. Darunter ist pikanterweise das Justizzentrum in Düsseldorf, in dem jetzt verhandelt wird, und eine Erweiterung des Polizeipräsidiums in Köln. Außerdem geht es um Bestechungs- und Untreuevorwürfe beim Verkauf des Schlösser-Areals in Düsseldorf, des Landesbehördenhauses in Bonn und die Schlossruine Kellenberg in Jülich.

Korruption oder Nachlässigkeit?

Den schwersten Vorwürfen sieht sich Tiggemann ausgesetzt, der 2001 einer von zwei Chefs der BLB geworden war. Im Fall des Justizzentrums Düsseldorf hatte er sich laut Anklage mit Strohmännern verabredet, die das Grundstück kaufen und dann mit einem Preisaufschlag an die BLB weiterreichen sollten. Dafür habe es ein kompliziertes Konstrukt aus Scheinvergaben, Scheinrechnungen und fingierten Verträgen gegeben. Die Gewinne haben sich Tiggemann und seine mutmaßlichen Komplizen geteilt, so die Anklage. Für den Geldverkehr der krummen Geschäfte sei der Bad Neuenahrer Rechtsanwalt verantwortlich gewesen, der sich deshalb wegen Beihilfe zur Untreue rechtfertigen muss.

Die Vorgänge rund um den Kauf des maroden Schlosses Kellenberg in Jülich betreffen den BLB-Niederlassungsleiter aus Aachen. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft Anstiftung und Beihilfe zur Untreue vor. Er habe aus dem völlig maroden Schloss ein repräsentatives Bildungszentrum samt Hotel machen und das Projekt an die Fachhochschule Aachen vermieten wollen. Doch mit der Hochschule wurde man sich letztlich nicht einig, heißt es in der Anklageschrift. Da der Aachener BLB-Statthalter den Kauf jedoch nicht allein abwickeln konnte, habe er seinen Chef Tiggemann über die Pläne informiert. Tiggemann habe dann dem Kauf für zwei Millionen Euro zugestimmt – obwohl er gewusst habe, dass die Immobilie weniger wert war. Die Bauruine steht weiterhin leer.

Ein mutmaßlicher Strohmann wurde bereits früher zu einer Haftstrafe verurteilt

Tiggemann hat über seinen Rechtsanwalt bereits im Vorfeld sämtliche Untreuevorwürfe zurückgewiesen. Die These der Staatsanwaltschaft, es habe eine Verschwörung gegeben, sei unzutreffend.

Einer der mutmaßlichen Strohmänner ist bereits 2012 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden, allerdings wegen Steuerhinterziehung, nicht wegen Korruption. Einen konkreten Beweis für Bestechungsgelder an Tiggemann sah das Gericht damals nämlich nicht. Der 78-jährige Angeklagte hatte während des gesamten Prozesses beharrlich geschwiegen.

Quelle:JUVE